JOPLYN
JOPLYN ist eine junge Songschreiberin, Produzentin und Sängerin aus Berlin mit internationalen Wurzeln. Ihren Stil als sphärischen Elektrosound mit einer Prise Pop und Dark Wave zu beschreiben, ist sicherlich treffend, doch zugleich zu kurz gegriffen. Auf ihrem kürzlich erschienenen Album „Pappelallee 01“ kombiniert JOPLYN einmal mehr gekonnt ethnische Klänge mit fragilen Vocals und schwere Beats.
Wir finden die Kreativität der Künstlerin bemerkenswert und freuen uns, Sie zu ihrem Werdegang, ihrem Stil und natürlich zu ihrem neuen Album zu befragen.
Hallo JOPLYN – erst einmal herzlichen Glückwunsch zu deinem ersten Full Length Album „Pappelallee 01“, welches Anfang des Jahres erschienen ist! Eine Ode an Berlin, eine Ode an die Straße deiner Kindheit. Wie sehr ist „Pappelallee 01“ als Konzeptalbum zu verstehen? Beinhaltet der Name auch eine Fortsetzung, im Sinne von „Pappelallee 02“?
Erst einmal vielen Dank! “Pappelallee 01” ist so weit von einem Konzeptalbum entfernt, dass man meinen
könnte, es wäre genau das Gegenteil eines solchen. Es ist vielmehr eine künstlerische Zusammenfassung des letzten Jahres, bestehend aus fünf komplett neuen Songs, zwei Album Singles und vier schon veröffentlichten Tracks. Dasselbe möchte ich künftig jedes Jahr machen, d.h. eine Zusammenfassung des vorherigen Jahres im Januar zu veröffentlichen. Das nächste Album wird auch nach einem für mich besonderen Ort in Berlin benannt werden. Die Pappelallee wird es aber nicht nochmal, soviel kann ich verraten.
Du bist musikalisch schon einige Zeit unterwegs – war es trotzdem ein Stück weit Neuland für dich, an einem Longplayer zu arbeiten? Wie geht man an so etwas ran? Es ist ja sicherlich nicht nur eine zufällige Aneinanderreihung von Songs, die man zu einem Album zusammenschnürt…
Wie gesagt, gab es knapp über die Hälfte der Songs auf dem Album schon. Die anderen waren spätestens im Oktober fertiggestellt, ich hatte mich mitunter an alten Demos bedient, die ich in den Tiefen meiner Dropbox gefunden habe. Natürlich ist es nicht einfach eine zufällige Aneinanderreihung von Songs, aber sehr viele Gedanken habe ich mir dabei auch nicht gemacht. Ich wollte das Ganze gerne so frei wie möglich gestalten. Zum Ende hin, als es um die letzten 1-2 Songs ging und der Rest schon mehr oder weniger stand, habe ich mich schon bewusst dazu entschieden, z.B. den letzten Song doch eher uptempo und tanzbarer zu gestalten, als zu balladesk. Aber auch solche Entscheidungen habe ich primär aus dem Gefühl heraus getroffen, als durch irgendwelche rationalen Herleitungen.
Als Newcomerin wird man ja gerne mit anderen Künstlern verglichen, um die Musik zu charakterisieren. Ich meine, Vergleiche mit FKA Twigs, BANKS und Sevdaliza gelesen zu haben. Findest du solche Vergleiche hilfreich und gibt es Vergleiche, die dir schmeicheln oder solche, die du total absurd findest?
Tatsächlich finde ich es eher restriktiv. Vor allem diese drei Namen fallen sehr oft, weil sie vor einigen Jahren einmal Teil meiner offiziellen Bio waren. Mein Sound hat sich jedoch seitdem so gewandelt, dass Leute nun oft etwas ganz anderes erwarten, wenn sie ihn zum ersten Mal hören. Ich beschreibe meine Musik inzwischen gerne mit dem Wort „Post-Genre“. Das lässt alles offen. Trotzdem kommt man natürlich nicht drum herum, in Genres, bzw. „Similar Artists“ eingestuft zu werden. Ich würde mir nur wünschen, dass diese Vergleiche manchmal durchdachter und recherchierter wären.
JOPLYN / Janis Joplin – natürlich liegt es nahe, dass da ein Zusammenhang besteht. Gibt es Musik Genres, die du privat hörst, die aber so gar nichts mit elektronischer Musik zu tun haben? Inwieweit lässt du Stile anderer Musik in deine eigenen Werke einfließen?
Der Zusammenhang ist sehr berechtigt. Mein Name ist inspiriert von Janis. Eben nicht, weil wir musikalisch besonders viel gemeinsam haben, sondern weil sie mich als eine starke Frau in der Musik so geprägt und inspiriert hat. Ich höre privat auch primär elektronische Musik, alleine um über den aktuellen Zeitgeist im Bilde zu bleiben. Doch abgesehen davon, kann ich mich genauso gut auch in anderen Musikrichtungen verlieren, sei es nun Rock, R&B, HipHop, Soul… Ich finde man kann von jedem etwas lernen. An dem Schnittpunkt unterschiedlicher Stile passiert das Spannende, das Unerwartete. Und das probiere ich zu finden.
Dein Album entstand quasi mitten im Corona-Lockdown. Inwiefern hat dieser Umstand deine Arbeit beeinflusst? War es schwerer als sonst, sich von außen Inspiration zu holen oder konntest du dadurch vielleicht auch konzentrierter und zielgerichteter arbeiten?
Ich habe 2020 hauptsächlich im Home Studio verbracht und Tag und Nacht Musik gemacht. Einer der wenigen positiven Nebeneffekte von Corona waren ja eben diese Unmengen an Zeit, die einem plötzlich zur Verfügung standen und in gewissem Maße auch diese Ruhe, sich mal ausgiebiger mit Dingen zu beschäftigen, die man
sonst immer vor sich hergeschoben hat. Ich habe in der Lockdown-Zeit viel gelernt und konnte das Gelernte gleich in meinen neuen Songs umsetzen. Im Sommer, der ja wieder halbwegs normal war, bin ich auf Inspirations-Sammlung gegangen und habe dann im Oktober alles, was in mir drin war, rausgeschrieben. Am 31. Oktober war Album-Abgabe.
Die PR für das Album muss sich ja leider auf die (Online-)Medien beschränken, Live-Performances sind ja bis auf weiteres tabu. Ist das ein großes Problem für die Promotion? Und bist du vom Typ her eher die Live-Künstlerin oder eine Person,die lieber im Studio tüftelt?
Auch wenn es, schaut man sich mein Instagram an, nicht so rüberkommt, bin ich noch nie wirklich live aufgetreten. 2020 sollte das Jahr werden, in dem ich die ersten Gigs spiele (ein paar waren auch schon gebucht), worauf ich mich bereits vorbereitet hatte. Außer einem kleinen Auftritt mit Booka Shade im Ritter Butzke hier in Berlin wurde daraus aber leider nichts. Nun habe ich im nächsten Monat meine ersten paar Streaming Gigs, unter anderem für ein Festival in China, auf die ich sehr gespannt bin. Es ist schon skurril, dass das nun meine ersten Live-Erfahrungen sein werden, vor virtuellem Publikum. Aber um deine Frage zu beantworten, müssen wir uns in ein paar Monaten nochmal sprechen.
Mein persönlicher erster Kontakt mit deiner Musik und deiner Stimme war der Florian Kruse Remix von „Comfort“. Man kennt sich, nehme ich an 😉 Wie gut vernetzt bist du mit anderen Künstlern aus Berlin und der Szene im Allgemeinen?
Social Media spielt da heutzutage eine sehr große Rolle. Viele andere Künstler kontaktieren mich darüber, bzw. ich sie, und so entstehen immer wieder neue Kollaborationen (unterschiedlichster Art). So habe ich z.B. in 2019 Musik für eine Netflix-Serie gemacht, was einem einzigen Studio Jam Instagram-Post zu verdanken war. Diesen hatte ich Akai per DM geschickt, da ich eines ihrer Keyboards im Video gespielt habe, und die wiederum haben es auf ihrer Seite ge-reposted. Zufällig hatte der Music Commissioner für die Netflix-Serie “We Are The Wave” dieses Video auf Social Media gesehen und mich daraufhin kontaktiert. Die Welt ist durch das Internet so vernetzt, dass das Konzept einer konkreten „Szene“ etwas entfällt. Es gibt jeden Tag neue Sub-Szenen und krea-
tive Schnittpunkte, die weit über Stadt- und Landesgrenzen hinaus stattfinden. Man muss sich nur trauen, auch selbst manchmal den ersten Schritt zu machen und offen gegenüber anderen zu sein.
Noch mal zum Track „Comfort“, den ich über Spotify kennengelernt und lieben gelernt habe. Es wird ja viel diskutiert über die geringe Entlohnung bei Spotify und über die Algorithmen, die dem Hörer mehr oder weniger bestimmte Künstler vorschlagen. Dennoch muss ich sagen, dass ich deine Musik ohne den Streaming-Dienst vielleicht nicht kennengelernt hätte. Wie stehst du zu diesem und anderen Streaming-Plattformen?
Es ist ja kein Geheimnis, dass Musik (und generell Kunst jeglicher Art) durch die Digitalisierung und dem Überfluss an Angebot immens an Wertschätzung verloren hat. Es ist natürlich erschreckend, dass heutzutage ein Algorithmus darüber bestimmt, ob und wer deine Musik zu hören bekommt. Dennoch hat mich insbesondere Spotify auf meinem Weg bisher oft unterstützt und es Leuten ermöglicht, meine Musik zu entdecken, die mich sonst evtl. nicht gefunden hätten. Aber was ist schon perfekt? Etwas, das ich z.B. stark befürworte ist, dass Spotify und anderen Musik-Streaming Plattformen ein user-centric Bezahl-Modell einführen, sowie es SoundCloud nun schon umgesetzt hat. Doch wer weiß, wie die Welt in 10 Jahren aussieht. Alleine durch die derzeitige Entwicklung NFT-basierter Streaming-Märkte kann sich schon wieder so viel auf den Kopf stellen. Das Wichtigste ist mir, nach wie vor, Musik zu machen und dass meine Musik so viele Leute wie möglich auf den verschiedensten Wegen erreicht.
Neben eingängigen und atmosphärisch dichten Melodien zeichnet sich deine Musik vor allem durch deine Texte aus. Wie wichtig ist der lyrische Aspekt deiner Musik?
Der lyrische Aspekt ist mir sehr wichtig, mindestens genauso wichtig wie die Melodie. Mein gesamter musikalischer Werdegang ist aus ihm entsprungen, aus der Poesie. Ich habe Gedichte geschrieben, bevor ich je Songs geschrieben habe. Auch wenn Insta-gram und Co. natürlich eine wichtige Kommunikationsplattform zu meinen Zuhörern darbieten, sind meine Songs – für mich – immer noch der direkteste Draht, meine Gedanken zum Ausdruck zu bringen.
Du hast in deiner Kindheit das Klavierspielen gelernt. Das war mit Sicherheit ein super Fundament, auf dem du aufbauen konntest. Wie groß war dennoch die Hürde, sich die Bedienung der technischen Geräte, die in der elektronischen Musik vorrangig zum Einsatz kommen, anzueignen? Was würdest du anderen Menschen raten, wie sie sich der Technik annähern könnten?
Eigentlich ist die Bedienung sehr intuitiv. Abgesehen von dem Harmonischen, gibt es eben ein paar Prinzipien, die man sich einmal einprägen muss, z.B. die Bedeutung einer ADSR-Klangkurve oder wie ein Kompressor funktioniert, aber man muss sich da auch nicht verrückt machen. Es kommt einem am Anfang oft mehr vor, als es eigentlich ist. Das wichtigste ist ja immer noch das Kreative, die Emotion. Die Technik ist da, meiner Meinung nach, eher ein Mittel zum Zweck. Viele schrecken vor dieser vermeintlichen (technischen) Hürde zurück, vor allem Frauen, denen ja oft technische Berufe nicht zugeschrieben werden. Eines der Ziele, das ich mit meiner Musik verfolge, ist es, insbesondere andere Frauen dazu zu ermutigen, auch mal den Controller in die Hand zu nehmen und zu sehen, wo einen die Reise hinführt.
Die elfte und letzte Frage – das passt zu der Anzahl deiner Songs auf deinem Album 😉 Wenn, also wenn wir endlich wieder zusammen feiern können und du einen Live-Auftritt haben solltest – wie können wir uns deine Show optisch und akustisch vorstellen? Ähnlich effektvoll wie es deine Musikvideos sind oder hältst du es live eher nüchtern?
Das ist ja schön, für jeden Song eine Frage. Mit mir auf die Bühne nehme ich meine Ableton Push, ein Keyboard und zwei Geräte, mit denen ich meine Stimme live effektieren kann. Ich spiele also verschiedene Basslines und Akkorde ein oder programmiere Beats und singe dazu und spiele mit den Voice Effekten herum. Meine Idee war es, meine Live Show ähnlich wie ein DJ-Set zu gestalten, sodass die Songs, manchmal mithilfe von anderen Samples, ineinander fließen und die Kick nie aufhört zu pulsieren.
Wir wünschen dir viel Erfolg in der Zukunft und hoffen, dich bald auch einmal Live erleben zu können! Alles Gute, JOPLYN!
Vielen Dank! Das hoffe ich auch. Hoffentlich dann auch in Real-Time und nicht über einen Computer-Bildschirm :o)