Yves Murasca
Yves Murasca, DJ und Produzent, ist in der Szene vor allem durch das House-Label Déepalma Records bekannt und geschätzt. Der Gründer dieses feinen Labels stellt seit 2013 eine musikalische Heimat für renommierte Producer anspruchsvoller und facettenreicher House-Musik bereit. Neben den zahlreichen Einzelveröffentlichungen namenhafter Künstler auf dem Balearen-Label etablierte Felix aka Yves Murasca eine der erfolgreichsten Compilation-Reihen und verhalf Déepalma Records zum Status einer weltweit geschätzten Marke mit treuer Fangemeinde – heiß begehrt und mit einem authentischen Flair, welches perfekt zur wohl bedeutendsten Partyinsel passt. Wir gratulieren zum runden Jubiläum und haben ein paar Fragen mitgebracht.
Hey Felix, Gratulation zum 10-jährigem Label-Bestehen. Wobei “Bestehen” etwas von “Überleben” hat. Ich habe aber eher den Eindruck, dass sich das Label, die Compilation und die “Marke” in stetigem Wachstum befinden. Ist das eine realistische Einschätzung?
Vielen Dank! Sagen wir mal so, ich bin mega-happy wie sich das Label in den letzten zehn Jahren entwickelt hat, aber es hat schon auch immer noch ein bisschen was von Überlebenskampf. Die Konkurrenz schläft nicht und man muss sich ständig am Markt behaupten. Das fängt damit an, an die richtigen Künstler zu kommen, die dann ihre Musik bei dir releasen und hört auf, bei den unbedingt notwendigen Features und Playlist-Placements. Wenn ich ein Resümee ziehen soll, würde ich aber schon sagen, die Marke befindet sich in stetigem Wachstum. Nicht mehr ganz so schnell wie in den ersten Jahren – da war die Kurve steiler – aber es geht nach wie vor voran. Der Katalog wird ja auch von Release zu Release größer, was die Reichweite unserer Musik erhöht. Es ist unglaublich wichtig, immer weiter zu releasen.
Nach dem Re-Start 2022, der auch auf Ibiza die Spuren, die Corona hinterließ, sichtbar machte, erleb(t)en wir nun die diesjährige Party-Season, inkl. Opening und IMS. Wie verwoben ist das Label mit der Sommerinsel? Ist der legendäre Ruf, den Ibiza inne hat existenziell auch für das Label und seine Projekte?Die Verbindung zu Ibiza kommt aus meiner ganz persönlichen Beziehung zu der Insel. Ich war zum ersten Mal 1999 dort, verbrachte einige Sommersaisons komplett dort und besuchte Ibiza danach jedes Jahr, mindestens ein Mal. Ich hatte das Glück, einige Gigs dort spielen zu dürfen, unter anderem im Bora Bora und habe immer noch viele Bekannte und Freunde dort. Ibiza ist wie eine Sucht für mich. Ich muss einfach immer wieder kommen. Wenn ich heute bestimmte Tracks höre, die ich auf Ibiza zum ersten Mal gehört habe, dann ist sofort wieder das Gefühl da und es entstehen Bilder im Kopf: Wie ich zum Beispiel Roger Sanchez im Pacha besucht habe und er einen meiner heute absoluten Lieblingsklassiker gespielt hat: Sydenham & Ferrer – Sandcastles (Mark Knight & Martijn Ten Velden Remix). Die Atmosphäre war elektrisierend und ich musste unbedingt sofort rausfinden, was das für ein Track war. Da gibt es noch viele Songs in meinem Kopf, die ich mit ganz bestimmten Clubmomenten auf der Insel verknüpfe. Die Idee für das Déepalma-Brand entstand auch auf der Insel. Der Déepalma-Sound vereint alles, was ich auf Ibiza erlebt habe – die Vibes, die Partys und Menschen.
Wie ist deine persönliche Verbindung zu Ibiza? Wie kann man sich deinen Arbeitsalltag und Lebensumstände inmitten und abseits der weißen Insel vorstellen?
Wenn ich auf Ibiza bin, muss ich zwar meistens schon immer auch ein bisschen arbeiten – ich meine, ich bin ein Selbständiger in der Musikbranche – aber eigentlich bin ich mittlerweile schon eher privat auf der Insel unterwegs. Natürlich treffe ich auch mal den einen oder anderen Künstler oder Label-Mitstreiter, aber ich habe meinen Hauptlebensmittelpunkt mittlerweile im Allgäu, wo ich auch aufgewachsen bin. Dort befindet sich das Labeloffice und mein Tonstudio. Die Arbeit mit dem Label ist vielseitig. Das reicht von Büroarbeit bis zu kreativen Aufgaben wie Grafiken erstellen. Und natürlich höre ich einen Haufen Demos an und produziere permanent eigene neue Songs. Mir wird nie langweilig.
Deine musikalische Karriere erlebte 2008 einen ersten Höhepunkt, bei der Zusammenarbeit mit Milk&Sugar, auf deren Label dein Track “All About Housemusic” (auf der Jubiläums-Compilation im »Dario D’Attis Extended Remix« vertreten) äußerst erfolgreich lief. Wie kam es dann zur Gründung des eigenen Labels?
Ich hatte vor der Déepalma-Gründung bereits andere eigene Labels. Die habe ich dann 2012 mit meinem damaligen Label-Partner einvernehmlich aufgelöst. Wir hatten unterschiedliche Vorstellungen von der zukünftigen Ausrichtung. Den Katalog haben wir aufgeteilt. Mein Sound entwickelte sich in dieser Zeit mehr hin in Richtung Deep House. Zuvor habe ich ja fast ausschließlich Vocal House veröffentlicht. Die Idee zur Gründung von Déepalma Records kam dann, als ich festgestellt habe, dass ich eine Plattform brauche, mit der ich meinen neuen musikalischen Weg vertiefen und gleichzeitig den alten Katalog wieder an den Start bringen kann. Außerdem wollte ich eh mit einem eigenen Label weiterarbeiten, weil es mir schon immer Spaß gemacht hat, mit verschiedenen Künstlern weltweit in Kontakt zu sein und mich auszutauschen. Hilfreich war dabei, dass ich in den Jahren zuvor schon ein ganz gutes Netzwerk an Künstlern und Geschäftspartnern aufgebaut hatte und einige Künstler auch direkt mitnehmen konnte. Den deeperen Teil aus dem alten Katalog habe ich dann zum einen wieder mit neuen Versionen unter Déepalma Records veröffentlicht und den Teil mit eher souligem House habe ich später wieder unter meinem Sublabel Déepalma Soul herausgebracht. So war der Start etwas einfacher, als komplett von null anzufangen. Bevor ich überhaupt ein eigenes Label hatte, hab ich meine
ersten Singles alle bei Milk & Sugar Recordings rausgebracht. Auch ‚All About Housemusic‘. Ich hab 2005 sogar meine Ausbildung zum Kaufmann für audiovisuelle Medien bei Milk & Sugar absolviert. Irgendwann wollte ich aber das Gelernte dann auch direkt am eigenen Projekt anwenden und so habe ich dann eigene Labels gegründet.
Neben dem Label-Business darf man natürlich nicht unerwähnt lassen, dass du regelmäßig eigene Tracks veröffentlichst und auch den Déepalma-Sampler zusammen mit Rosario Galati abmischst – das hört sich nicht nur nach einer sehr kreativen Schaffenskraft an, sondern auch nach einer Menge Arbeit? Wie schaffst du das alles und wer unterstützt dich dabei?
Es ist in der Tat nicht ganz einfach, das alles unter einen Hut zu bekommen. Ich würde gerne mehr im Studio sitzen, aber mein Hauptjob ist nun mal das Label-Business. Ich bin froh, im Produktionsbereich Rosario an meiner Seite zu haben. Mit ihm schließe ich die Produktionen viel schneller ab. Die Compilations sind ein riesen Aufwand. Alleine das Titel-Sammeln und -Auswählen dauert zwei bis drei Monate.
Als Label-Chef und Herausgeber einer Compilation-Reihe ist man ja auch immer eine Art Kurator, stelle ich mir zumindest vor. Nach welchen Gesichtspunkten wählst du die Künstler aus, die den Vibe deiner Marke verkörpern sollen, und ist es in der Regel so, dass du auf die Künstler herantrittst oder ist es eher umgekehrt.
Das mit dem Kurator stimmt. Wir legen viel Wert auf die Auswahl der Titel und Künstler. Jeder Track wird genau durchdacht. Fülltitel gibt es bei uns nicht. Dabei zählt zum einen natürlich der musikalische Inhalt und seine klangliche Qualität, zum anderen wie er in den Flow passt. Die Titel stammen einerseits aus Demos von Künstlern, mit denen wir bereits mehr releast haben, aber auch teilweise von komplett neuen Artists. Wenn der Track zur richtigen Zeit reinkommt und passt, muss es nicht unbedingt ein uns bekannter Künstler sein. Obendrein versuchen wir natürlich auch immer, große Namen dabeizuhaben. Diese Titel suchen wir uns meistens selbst zusammen und fragen sie bei anderen Labels an. Es ist am Ende immer etwa eine 50/50-Mischung.
Dieser einzigartige, unverwechselbare Balearen-Sound, den man mittlerweile als Sub-Genre der House-Musik bezeichnet – entwickelt sich dieser Sound mit der Zeit weiter und wandelt sich oder ist es ein Stil, der mit den Jahren vielleicht auch mal an Strahlkraft verlieren könnte?
Ja, er entwickelt sich weiter. Allein schon wegen den veränderten Produktionsmöglichkeiten. Früher hörte sich die Musik viel ‚handgemachter’ an und kam weniger aus dem Computer. Mit den technischen Möglichkeiten von heute ist der Sound druckvoller geworden. Auch der chillige Sound. Man muss nur mal Songs aus den 90ern mit Produktionen von heute vergleichen. Bei den meisten Tracks merkt man sofort einen ganz klaren klanglichen Unterschied. Stilmäßig gibt es auch immer weniger klassischen Ibiza-Chillout a la Café Del Mar. Zumindest bekommt man davon auf der Oberfläche nur noch selten was mit. Es boomt dagegen der Markt im Lo-Fi-Bereich. Ist jetzt nicht mein Spezialgebiet, aber ich höre auf Spotify sehr gerne so Playlists wie Jazz Vibes. Im Endeffekt ist da schon vieles sehr nah dran an dem, was früher als Ibiza-Chillout bezeichnet wurde. Nur eben pro Titel nicht mehr sieben Minuten lang, sondern nur zwei. Ansonsten ist heute zum Beispiel auch das Genre Organic House unglaublich angesagt. Dort findet man auch viele Einflüsse aus dem früheren Chillout-Balearen-Sound. Mit viel Percussion und Flächen. Die Strahlkraft des Balearen-Sounds mit seiner gefühlvollen Atmosphäre wird nicht kleiner. Das ist wahrscheinlich wie mit Bob Marley Songs, die hört man auf der ganzen Welt seit Jahrzehnten und sie werden nicht langweilig.
Könnte man grundsätzlich diesen ganz speziellen Ibiza-Flair auch exportieren, z.B. in die Party-/Festivallandschaft des “kalten” Deutschlands oder ist die Atmosphäre, die man auf der Insel verspürt untrennbar mit der Geografie, der dort lebenden und kunstschaffenden Menschen und den touristischen “Ibiza-Jüngern” verbunden? Ich denke da z.B. an die Party-Reihe elrow, die ja mittlerweile weltweit agiert…
Es gibt großartige Partykonzepte, zum Beispiel elrow. Sicher eine mega Produktion, aber so eine Atmosphäre wie auf Ibiza lässt sich nicht so einfach künstlich erzeugen. elrow auf Ibiza wird ganz sicher anders sein als ein elrow-Event in München, Köln oder Hamburg. Das gilt für so gut wie alle Partyreihen. Die Menschen können sich auf Ibiza einfach viel freier entfalten, als in Deutschland beispielsweise. Ibiza ist ein Schmelztiegel verschiedener Kulturen, die Insel der Hippies. Und dann kommen da noch die Sonne und das Meer dazu.
Zurück zum einmal mehr wundervollen Déepalma-Ibiza Jubiläumssampler: neben der Summer-Edition
gibt es seit geraumer Zeit auch die »Winter Moods«, die »Island Moods« und das Sublabel »Déepalma
Soul«, desweiteren eine Radioshow mit mittlerweile 130 Folgen. Wo siehst du das Entwicklungspotenzial von »Déepalma«, also was sind deine Ziele für die Zukunft?
Entwicklungspotential sehe ich vor allem im Live-Bereich. Den haben wir praktisch noch gar nicht ausgeschöpft, weil dafür in den letzten Jahren einfach keine Kapazitäten frei waren. Wir haben bisher nur ein paar Versuche in diesem Bereich gestartet. Darunter eine Mini-Mexiko-Tour mit drei Dates. Das war super, aber wenn du sowas jedes Wochenende machen willst, dann brauchst du Manpower. Und die haben wir aktuell nicht. Sollte ich mich in Zukunft dazu entscheiden, kann da nochmal ordentlich was gehen. Eine Live-Event-Reihe ist die perfekte Plattform, um die Marke stark zu machen. Und natürlich auch die Künstler, die für Déepalma stehen.
Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast – wir, im Team DJ-Magazin freuen uns jedes Mal über die Releases von Déepalma und wünschen uns noch viele weitere in den nächsten Jahren. Bleibt so, wie ihr seid 🙂
Vielen Dank für euren tollen Support bei jedem unserer Projekte. Ich weiß das sehr zu schätzen.
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