Eine Legende, ein Pionier,
der seit über 40 Jahren die elektronische Musikszene prägt. Der Mann, der den Sound einer ganzen Generation geprägt hat und weltweit als einer der größten DJs und Produzenten gefeiert wird.
Im Oktober ist er 60 geworden – doch sein Energielevel und seine Leidenschaft für Musik scheinen grenzenlos. Ob auf den größten Festivalbühnen oder in den heißesten Clubs – SVEN VÄTH ist immer noch der Puls der Techno-Szene.
Heute sprechen wir mit ihm über seine Karriere, die Zukunft der elektronischen Musik und darüber, wie er sich selbst und die Szene jung hält.
Los geht’s!
Sven, als du vor 40 Jahren in die Musikwelt eingetaucht bist, hättest du damals gedacht, dass du so lange in der Szene bleiben würdest? Deine Geschichte fängt ungefähr so an: „Hör mal, Rainer, lass abhauen! Hast du Bock?“ – In Barcelona flipptet ihr eine Münze: Festland oder Ibiza?
Die Münze entschied für Ibiza! Und dann?
Haha, ja, das war ein wilder Moment! In Barcelona die Münze geworfen und dann ab nach Ibiza. Damals hätte ich mir kaum träumen lassen, wie weit diese Reise führen würde.
Aber es war, als hätte die Insel mich gerufen – und die Musik natürlich auch.
Du hast die Anfänge des Techno in Deutschland miterlebt, mitgestaltet und du hast oft als Visionär gegolten. Wie würdest du die Entwicklung der elektronischen Musikszene seit den 80ern beschreiben? Würdest du sagen, dass du heute eine andere Beziehung zu Musik hast als in deinen Anfängen?
Die elektronische Musikszene hat sich stark verändert.
Anfangs war alles neu, roh und experimentell. Heute ist Technoeine globale Sprache und ich schätze die Evolution und Professionalität, die entstanden ist. Aber die Wurzeln, diese Leidenschaft und Hingabe, die spüre ich immer noch – sie hält die Flamme am Brennen.
Die DJ-Kultur hat sich enorm verändert, von Vinyl über CDs bis zu digitalen Sets und Streaming. Du legst immer noch mit echten Schallplatten auf. In deinem Technical Rider steht ganz genau, wie die Anlage aufgebaut werden muss. Gibt es tatsächlich Clubbetreiber, die Schwierigkeiten haben, ein professionelles DJ-Setup aufzubauen? Wie viele Platten hast du immer im Gepäck?
Ich spiele weiterhin ausschließlich Vinyl, weil es für mich ein ganz eigenes Feeling ist – eine echte, analoge Verbindung zur Musik. Es gibt tatsächlich immer wieder Clubs, die Schwierigkeiten haben, das richtige Setup bereitzustellen. Aber das ist eben auch Teil des Jobs, sicherzustellen, dass die Qualität stimmt. Im Gepäck habe ich oft über 100 Platten, je nach Set und Location. Manchmal auch bis zu 250 Stück, wenn ein langes Set über viele Stunden geplant ist.
Wie viele Platten stehen in deinen Archiven? Was war die erste Schallplatte, die du selbst gekauft hast?
Ich schätze um die 40.000 müssten es sein, ich habe sie nie gezählt. Meine erste Platte war tatsächlich “Autobahn“ von Kraftwerk. Ich war sofort gefesselt von dem Sound und wusste, dass das der Anfang von etwas Besonderem ist.
Kann man ein Vinyl kaputtspielen?
Gibt es dann Ersatzplatten, die in dem Moment als Rettung funktionieren?
Vinyls können tatsächlich kaputtgespielt werden, und dann wird’s manchmal stressig, wenn gerade das eine Lieblingsstück ausfällt. Aber meistens habe ich einen Ersatz und der Flow geht weiter. Manche Platten besorge ich mir auch direkt mehrfach oder kaufe sie nach.
Dein längstes Set ist über 30 Stunden gegangen. WoW!
Wie hält man das durch?
Über 30 Stunden, ja! Da muss man einen Rhythmus finden, der die Energie aufrechterhält und sich selbst natürlich zwischendurch mal ausbalancieren. Das ist wie eine Reise in Trance.
Du bist bekannt dafür, hart zu feiern, aber auch für deinen Fokus auf Gesundheit und innere Balance.
Wie findest du den Ausgleich zwischen dem exzessiven DJ-Leben und der
inneren Ruhe?
Man muss sich immer wieder erden.
Für mich ist der Wald eine wichtige Quelle der Ruhe und ich setze stark auf Sport (täglich), gesunde Ernährung, Ayurveda – das hilft alles, auch das exzessive DJ-Leben auszubalancieren. Man muss auch mal „nein“ sagen können und Prioritäten setzen, mein privates Leben ist vergleichsweise „leise“.
Als einer der zentralen Figuren der Szene hast du sicher unzählige junge Künstler inspiriert. Gibt es DJs und Produzenten aus der neuen Generation, die dich besonders beeindrucken?
Es gibt einige neue Künstler, die mich inspirieren. Ich finde es spannend zu sehen, wie sie eigene Wege gehen, neue Sounds erforschen und trotzdem respektvoll mit den Wurzeln der Szene umgehen.
Damiano von Erckert, Ricardo de Polo, Jonathan Kaspar, Jimi Jules, um nur einige zu nennen. Die Corona Generation hat nie richtig feiern gelernt – viele andere haben es inzwischen verlernt. Musik wird heute anders konsumiert: Tik Tok, Instagram und Social Media. Smartphones fördern vor allem Selbstdarstellung und kurzes Verweilen, aber der Spirit des Feierns geht dabei verloren.
Gibt es überhaupt noch positive Entwicklungen in der Clubkultur?
Es stimmt, Social Media hat die Clubkultur verändert. Der Spirit, den wir damals fühlten, war so intensiv und fokussiert – heute geht es oft um das „digitale“ Festhalten von „echten“ Momenten, aber so verliert man den Bezug zum „hier & jetzt“. Ich glaube dennoch an die positive Energie, die entsteht, wenn Menschen gemeinsam feiern und sich in der Musik verlieren solange sie auch tanzen.
Viele Veranstalter erziehen ihr Publikum, indem die ein Handyverbot
aussprechen, das wirkt immer und jeder spürt die Intensität.
Im Oktober hast du den 60. Geburtstag gefeiert – eine Zahl, die man bei deinem Energielevel kaum glauben kann. Wie hast du gefeiert?
Ein besonderer Moment – ich habe ihn mit Freuden, Familie und Fans
gefeiert! Erst im engeren Kreise mit einem privaten Jazz Konzert und kulinarischen Erlebnissen von meinen Lieblings Köchen. Es war sehr emotional, es wurden Reden gehalten und viel gelacht. Dann ging’s rüber in die große Halle mit über 10.000 Fans und Musikliebhabern. Es spielten DJ-Freunde mit mir, es war einfach nur GEIL! Wir tanzten genau 12 Stunden, anschließend spielte ich dann noch 9 Stunden auf der After Party! Boom!
Kannst du dir ein Leben ohne die Musik vorstellen? Was würdest du machen, wenn du irgendwann entscheidest, nicht mehr aktiv als DJ aufzutreten?
Kaum vorstellbar! Sollte ich eines Tages nicht mehr auflegen, würde ich dennoch immer eine Verbindung zur Musik behalten.
Vielleicht als Mentor oder Produzent – oder ich würde einfach weiter im Studio experimentieren. Aber ohne Musik? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.
Der Berufsverband Discjockey e.V. ist einer der größten DJ-Verbände Europas und wurde 1982 gegründet. Er setzt sich für die Interessen von DJs und Musikschaffenden ein. Während Corona-Pandemie hat der Verband mit der Initiative „Alarmstufe Rot“ auf die prekäre Lage von Kulturschaffenden aufmerksam gemacht und Lobbyarbeit betrieben, um Unterstützung für die Event und Musikbranche zu sichern. Hast du schon einmal von diesem Verband gehört und wie stehst du zu solchen Vereinigungen?
Ja, ich kenne den Verband und finde es wichtig, dass es solche Organisationen gibt, die sich für die Interessen der DJs und Kulturschaffenden einsetzen. Gerade in Krisenzeiten braucht die Musik- und Eventbranche diese Unterstützung. Es ist gut, wenn wir zusammenhalten und für unsere Kultur einstehen.
Danke für das Gespräch!
Die Szene entwickelt sich weiter, und ich freue mich, auch in Zukunft ein Teil davon zu sein.
Vielen Dank für deine Zeit und das spannende Interview! Wir wünschen dir nur das Beste für die Zukunft und weiterhin viel Erfolg auf deinem Weg!
Text: Izabela Schmidt Foto: Daniel Woeller Photography